Medal of Honor: Above&Beyond | Review (Oculus Rift S)
| Marc Heiland | PC-Games
Nachdem Anfang des Jahres Valve mit seinem „Half Life: Alyx“ mal eben die VR-Welt komplett auf links krempelte und allen bewies, dass man VR noch lange nicht abschreiben sollte und das Unternehmen nach wie vor zu den Studios gehören, die Meilensteine in der PC- und Videospiele-Welt setzen, blieb es lange ruhig im Shooter-Genre. Dies wollen Respawn und Electronic Arts nun mit der Wiederbelebung der „Medal of Honor“-Reihe ändern. Denn dieser neue Ableger kommt ausschließlich als VR-Titel für die Oculus-Systeme zu Steam. Wir haben „Above&Beyond“ für euch getestet. Konnte uns der Shooter überzeugen? Lest hierzu unseren Test.
Mittendrin statt nur vor dem Bildschirm
VR-Spiele dienen vor allem dazu, den Spieler noch tiefer in virtuelle Welten eintauchen zu lassen, ihnen das Gefühl zu bieten, ein Teil der Handlung zu sein und eine unglaublich dichte Immersion zu liefern, der während einer „normalen“ Spiel-Session in dieser Form nicht möglich ist. Gerade die Titel der „Call of Duty“- und „Medal of Honor“-Serien bieten sich natürlich dafür an. Schon im reinen „flat“-Spiel überzeugten uns die beiden Reihen bis vor einigen Jahren noch in regelmäßigem Turnus durch packende Gefechte, Massenschlachten und intensive Multiplayer. Doch während es im Laufe der Zeit um „Medal of Honor“ ruhig wurde, steht „Call of Duty“ mit seinen zahlreichen Ablegern noch immer bei den Fans weltweit auf der Beliebtheitsskala ganz oben. Hierhin zurück möchte nun auch Entwickler Respawn die „Medal of Honor“-Spiele führen. Den Anfang macht der gerade erschienene VR-Titel „Above&Beyond“, der euch in die Geschehnisse des Zweiten Weltkriegs führt.
Viel Leistung
Bereits vor dem Spielen muss man doch ziemlich starke Nerven beweisen, da sich „Above&Beyond“ nur von Steam herunterladen lässt und der Titel bald 200GB groß ist. Da wir in Deutschland bekanntlich nicht unbedingt für schnelle Leitungen bekannt sind, könnt ihr schon mal einen Tag mit dem Download einplanen. Aber auch danach ist noch nicht Schluss. Denn das Spiel macht sich nach dem Download so richtig auf eurer Festplatte breit. Wer nur eine schmale SSD (über HDD reden wir im Zusammenhang mit MoH lieber mal nicht) verfügt, muss schauen, wo er bleibt.
Auch sonst ist der Titel extrem hardwarehungrig und stellt sogar das grandiose „Half Life: Alyx“ in den Schatten. Wer aber nun denkt, eine noch feinere Grafik, eine intensivere Spielwelt oder unzählige Grafikeffekte geboten zu bekommen, der wird schnell enttäuscht. Denn das, was uns EA und Respawn hier vorsetzen, ist gerade einmal grafische Durchschnittskost und wird so manchen Nutzer zum Heruntersetzen der grafischen Optionen zwingen. Selbst mit HighEnd-Karten wird das Spiel auf eurem Rechner nicht vernünftig laufen.
Auch viel Inhalt?
Doch kommen wir nun zum Wesentlichen – der Frage: Was hat euch der Shooter denn nun überhaupt so zu bieten? Im Prinzip handelt es sich bei der VR-Umsetzung um einen linearen Shooter, der oftmals eher an eine virtuelle Schießbude erinnert, als an einen „vollwertigen“ AAA-Titel, wie wir es eigentlich von der Reihe gewohnt sind. Auch wenn die Action hoch ist, hin und wieder Schleichen auf der Tagesordnung steht und der Titel wahrlich mit allerlei beeindruckenden Szenarien nicht spart, wirkt alles doch sehr abgespeckt, vor allem im Vergleich mit Half Life. Dafür sind die eigentlichen Einsätze teilweise sehr kurz und oftmals bieten sie kaum unvorhersehbare Elemente. Man fühlt sich eher an die Hand genommen und herumgeführt anstatt als Teil eines Größeren, der auch nur ansatzweise selbst entscheiden kann. Irgendwie hat das was von den ganz alten MoH-Spielen. Dafür ist die Charakterzeichnung der Mitstreiter recht ordentlich gelungen, sodass hier ein wenig ein „Team-Gefühl“ aufkommt, wenngleich dies durch die stellenweise mangelhafte KI schnell wieder zunichte gemacht wird. Dies gilt auch für die Glaubwürdigkeit der Nazi-Gegner, die über Schießbudenfiguren-Niveau nicht hinausgeht. Enttäuscht sind wir auch vom Leveldesign und die teils schlampige Umsetzung der Steuerung. Warum nutzt das Spiel kaum Klettern, wenn ich es erlerne? Warum kann ich manche Dinge greifen, andere hingegen nicht? Warum ist das Zielen häufig eher ein Zufall als ausgefeilte Spielmechanik? Und warum gibt es so viele Bugs, Glitches und grafische Unzulänglichkeiten? Auch das Aufnehmen von Munition und Waffen gerät oft eher zum Glückspiel. Irgendwie gelangt man als Spieler so zum Eindruck als dass der Titel unbedingt zum Weihnachtsgeschäft auf den Markt geworfen werden musste, da man sich eh unter Zeitdruck aufgrund diverser Verschiebungen sah. Was dann allerdings passieren kann, zeigt gerade die Konsolen-Fassung von „Cyberpunk 2077“!
Fazit: Wie sehr habe ich mich doch auf das virtuelle „Medal of Honor“ gefreut und wie sehr hat mich „Above and Beyond“ stellenweise enttäuscht! Nach dem phänomenalen „Half Life: Alyx“ hat natürlich jeder Titel einen doppelt so schweren Stand. Doch nach den zahlreichen vollmundigen Entwicklerstatements (von denen man als Spieler natürlich immer einen ordentlichen Teil als „PR-Getöse“ abtun kann) habe ich mir wirklich mehr erhofft. So kann ich leider keine Kaufempfehlung aussprechen, vor allem dann, wenn ihr keinen HighEnd-PC euer Eigen nennt.
Die inn-joy Redaktion vergibt 5 von 10 Punkten.
Die inn-joy Redaktion bedankt sich bei Electronic Arts für den zur Verfügung gestellten Testkey.
U. Sperling